Ernüchtert über den Stand der Tierwohldiskussion in Deutschland zeigt sich der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Prof. Folkhard Isermeyer. Zu den grundlegendsten Fragen der Nutztierhaltung gibt es nach wie vor keine gesellschaftliche Übereinkunft, beklagte der Wissenschaftler gegenüber AGRA-EUROPE. Damit fehle jegliche Orientierung für politisches und unternehmerisches Handeln.
Solange zu den Kernfragen keine klare Linie existiere, werden Tier- und Umweltverbände ebenso wie Journalisten weiterhin Missstände anprangern, und die Bedingungen für investitionswillige Landwirte werden sich weiter verschlechtern, warnte der Wissenschaftler. Schon heute gehe in vielen Regionen gar nichts mehr. Ohne Investitionen könne es aber keinen verbesserten Tierschutz geben.
Die gegenwärtige Marktkrise bietet laut Isermeyer neben gravierenden Folgen für viele Betriebe auch eine Chance für mehr Realismus in der gesellschaftlichen Debatte. So könne man derzeit viel leichter verständlich machen, dass höhere Standards etwa zur Erreichung von Tierwohlzielen nur in Verbindung mit Ausgleichszahlungen oder höheren Agrarpreisen umzusetzen seien. Wer jetzt einfach nur die Auflagen verschärft, treibt viele Tierhaltungen in den Ruin und fördert die Verlagerung der Produktion ins Ausland, stellte der Wissenschaftler klar.
Für gerechtfertigt hält der Thünen-Präsident staatliche Finanzhilfen in der aktuellen Marktkrise. Voraussetzung sei jedoch, dass sie nicht als Dauersubventionen angelegt seien, sondern als Notmaßnahme in einer besonders außergewöhnlichen Marktlage. Instrumente zur Marktsteuerung sind Isermeyer zufolge nicht geeignet, die aktuellen Probleme bei der Milch zu lösen. Keine weitreichenden Änderungen erwartet der Wissenschaftler von der anstehenden Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). AgE
(18.07.2016)