Bundeslandwirtschaftsminister Julia Klöckner rennt mit ihrem Werben für einen Umbau der Tierhaltung bei Ländern und Verbänden offene Türen ein. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber erwartet vom morgigen Sondertreffen der Agrarministerkonferenz in Berlin "ein klares politisches Signal". Die Borchert-Kommission habe ein vernünftiges, realisierbares und mit langfristig kalkulierten Mehrausgaben von 35 Euro pro Jahr und Verbraucher für alle bezahlbares Konzept vorgelegt. Man müsse jetzt mit der konkreten Umsetzung beginnen, "statt mit immer neuen Forderungen Fortschritte immer weiter hinauszuzögern", forderte Kaniber Nächste Schritte seien die Verabschiedung des Tierwohlkennzeichengesetzes im Bundestag sowie eine grundsätzliche politische Einigung über eine zweckgebundene Tierwohlabgabe auf Fleisch, Milch und Eier.
Der Thüringer Landwirtschaftsminister Prof. Benjamim Immanuell Hoff sieht jetzt die Chance, die Fleischbranche in Deutschland vom Stall bis zum Teller neu zu justieren. Die Agrarministerkonferenz müsse Impulse setzen, "wie künftig eine vernünftige Tierwohlstrategie finanziert wird." Der Transformationsprozess müsse systematisch, zielgerichtet und finanziell solide unterlegt erfolgen und zeitnah beginnen. Der Borchert-Kommission bescheinigt der Linken-Politiker, dafür umfassende und überzeugende Grundlagen erarbeitet zu haben.
Brandenburgs Ressortchef Axel Vogel warnte davor, die Interessen von Tierschutz und Naturschutz gegeneinander auszuspielen. Die vom Kompetenznetzwerk vorgeschlagene Tierwohlabgabe müsse als zusätzliches Finanzierungsinstrument für den Umbau nun auf den Weg gebracht werden.
"Viele Bäuerinnen und Bauern sind bereit, die anspruchsvollen Tierwohlziele in die Praxis umzusetzen", erklärte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz. Allerdings müsse der Bund rasch die rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen für die notwendigen Um- und Neubauten schaffen. Zudem müsse der Mehraufwand für die Landwirtschaft über eine Tierwohlabgabe finanziert werden.
Die Umweltstiftung World Wildlife Fund (WWF) Deutschland forderte "einen kompletten Systemwechsel für die deutsche Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft". Neben dem Tierwohl müsse der Systemwechsel auch den Schutz von Umwelt, Klima und biologischer Vielfalt umfassen und den Erzeugern faire Preise gewährleisten. Voraussetzung für den Neustart der Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft in Deutschland müsse zudem "eine ernährungs- und landwirtschaftspolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung anstelle der aktuellen politischen Durchwurstelei" sein.
Erneut kritisch zu den Empfehlungen äußerte sich hingegen foodwatch. Die Verbraucherorganisation warf der Borchert-Kommission eine "Irreführung der Öffentlichkeit" vor. So löse die Förderung von Stallneubauten nicht die Probleme in der Nutztierhaltung, und ein Festhalten an der "Export-Fixierung der deutschen Agrarindustrie" schade Tieren, Umwelt und Landwirten. Zudem fehlten gesetzliche Vorgaben für bessere Tiergesundheit. AgE
(28.08.2020)