Das Ende der Borchert-Kommission hat bei deren Mitgliedern ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Sowohl der Deutsche Bauernverband (DBV) als auch der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) erklärten, dass die Kommission ihre Aufgabe erfüllt habe. Sie bescheinigten der Ampelkoalition zugleich fehlenden Mut, die Empfehlungen umzusetzen. Die Arbeitsgemeinchaft bäuereliche Landwirtschaft (AbL) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierten die Entscheidung des Kompetenznetzwerks als falsch. Dem Vernehmen nach hat sich eine breite Mehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden für diesen Schritt ausgesprochen.
Fehlende Entschlossenheit
DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken zeigte sich enttäuscht, dass die Empfehlungen "weder als Gesamtkonzept noch in ihren Teilschritten" ernsthaft aufgegriffen worden seien. Der Handlungsbedarf bleibe jedoch unverändert, um einen Export der Tierhaltung zu verhindern. "Die Empfehlungen der Borchert-Kommission bleiben auf dem Tisch", so Krüsken. Für DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp ist das Ende der Borchert-Kommission konsequent. Holzenkamp warf der Ampelregierung wie auch ihrer Vorgängerin fehlende Entschlossenheit zur Transformation der Nutztierhaltung vor.
Gesellschaftliche und politische Aufgabe
Der Berliner Agrarökonom Prof. Harald Grethe nannte es bedauerlich, dass sich die Ampelkoalition nicht auf eine verlässliche, öffentliche Finanzierung von Tierwohlprämien habe einigen können. Die gegenwärtigen Vorschläge des Bundeslandwirtschaftsministeriums gingen nicht weit genug. Grethe setzt darauf, dass die Borchert-Empfehlungen doch noch zum Zuge kommen können. Sie lägen "weiterhin auf dem Tisch und warten auf die Umsetzung, durch diese oder eine kommende Bundesregierung" so Grethe. Es sei "unsere gesellschaftliche und politische Aufgabe, mehr Tierwohl nicht nur zu fordern, sondern es Nutztierhalterinnen und ‑haltern auch zu ermöglichen, mit einer solchen Nutztierhaltung ein angemessenes Einkommen zu erwirtschaften." Dieser Aufgabe werde man zurzeit nicht gerecht.
Der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Friedrich-Otto Ripke, verband sein Bedauern über den Entschluss der Borchert-Kommission mit dem Vorwurf des "Politikversagens": "Die Vorgängerregierung und nun auch die Ampelkoalition waren nicht in der Lage, sich ihrer großen Verantwortung zu stellen und den Nutztierstandort Deutschland zukunftssicher zu machen." Das Ende der Kommission zeige die fehlende Bereitschaft insbesondere des Bundeslandwirtschaftsministeriums, "einen klaren, praktikablen Weg für den Umbau der Nutztierhaltung vorzuzeichnen." Der notwendige Dreiklang aus Finanzierung der Mehrkosten für die Tierhalter, rechtlicher Absicherung für die Modernisierung der Ställe und planungssicherer Umsetzung der Tierwohlfortschritte in den Haltungskriterien in Zehnjahresschritten 2020, 2030 und 2040 sei nicht umgesetzt worden.
Auch Vorstandsmitglied Hubert Heigl vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bescheinigte der Borchert-Kommission, mit ihren Empfehlungen dem notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland den Weg bereitet zu haben. Heigl verwies auf die Gefahr, dass der Umbau der Tierhaltung abgewürgt werde, da die notwendige Finanzierung nicht ausreiche. Die Bundesregierung müsse den Vorschlag der Kommission aufgreifen, eine Abgabe auf Fleisch als Gegenfinanzierung einzuführen. Dafür liege ein tragfähiges Konzept auf dem Tisch.
"Die Auflösung ist ein falscher Schritt", kritisierte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Seiner Auffassung nach könnte die Borchert-Kommission genau jetzt dazu beitragen, "dass der Umbau der Tierhaltung in der Ampelkoalition Priorität bekommt." Umso bedauerlicher sei es, dass die Kommission sich heute ihrer Möglichkeiten zur Einflussnahme selbst beraubt habe. Jetzt sei die Bundesregierung gefordert, nach Einführung der ersten Stufe der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung und den Änderungen im Baugesetzbuch zügig die nächsten Schritte für den Umbau der Tierhaltung anzupacken. Dazu sei eine Tierwohlabgabe oder Steuer zur dauerhaften und auskömmlichen Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung notwendig. Ähnlich äußerte sich der AbL-Vorsitzende Martin Schulz.Nach seiner Auffassng hätte die Borchert-Kommission einen längeren Atem zeigen sollen. Schulz warnte davor, dass die Beteiligten "in die alten Schützengräben zurückkehren". Zugleich äußerte er die Bereitschaft, in künftigen Gremien zum Umbau der Tierhaltung mitzuarbeiten. AgE/rm
(23.08.2023)