Die deutsche Fleischindustrie befürchtet einen weiteren Rückgang der hiesigen Schweinefleischerzeugung. Im Interview mit AGRA-EUROPE kritisiert die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft (VDF), Dr. Heike Harstick, hausgemachte Ursachen. Insbesondere das nationale Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration sei übereilt und die Entscheidung ohne wirkliche Kenntnis über die Alternativen, die Vermarktungsmöglichkeiten für Eberfleisch, die Auswirkungen innerhalb der EU und das Wohlergehen der Ferkel gefallen, so Harstick.
Die VDF-Hauptgeschäftsführerin weist darauf hin, dass kein anderer EU-Mitgliedstaat ein solches Verbot erlassen habe. Wenn es vorteilhafter ist, die Ferkel und das Fleisch dort zu beziehen, wo das Verbot nicht gilt, wird das auch passieren, warnt Harstick und sagt für diesen Fall einen drastischen Rückgang der heimischen Ferkelerzeugung voraus. Einige Fleischverarbeiter sowie der Lebensmitteleinzelhandel würden künftig einen zusätzlichen Teil ihres Bedarfs vermutlich im europäischen Ausland einkaufen. Was das für die Sauenhalter und die Schweinefleischerzeugung in Deutschland bedeuten würde, könne sich jeder an fünf Fingern ausrechnen.
Dringend müsse mit der lokalen Betäubung ein gangbarer Weg bei der Ferkelkastration ermöglicht werden. Beim angestrebten Ausstieg aus der Kastenstandhaltung bedürfe es zumutbarer Übergangszeiten und einzelbetrieblicher Fördermaßnahmen.
Keine Illusionen macht sich die Verbandsvertreterin zum anstehenden Bundestagswahlkampf. In dem werde es vermutlich nicht um ehrliche Argumente und realistische Forderungen zum Tierwohl gehen. Für die neue Legislaturperiode erhofft sich Harstick Realismus statt Populismus. AgE
(18.04.2017)