In der Diskussion um eine Fleischsteuer hat der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Prof. Folkhard Isermeyer, empfohlen, stattdessen zunächst eine Grundsatzdiskussion über die Entwicklung der deutschen Tierhaltung zu führen. "Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird kein Schwein glücklicher machen", erklärte Isermeyer heute. Am Anfang der Debatte sollte deshalb nicht die Mehrwertsteuer stehen, sondern die Frage, wohin Deutschland seine Tierhaltung überhaupt führen wolle.
Aus Sicht des TI-Präsidenten gibt es dafür drei Optionen: Neben einer kostenminimalen Ausrichtung, bei der am "weltweiten Wettbewerb um das billigste Angebot" teilgenommen werde, könne dieser Kurs um Bio- und Tierwohl-Segmente erweitert werden. Als dritte Option nannte Isermeyer ein verpflichtendes hohes Tierwohl-Niveau für alle in Deutschland gehaltenen Nutztiere.
Dem deutschen Bundestag legte der Agrarökonom nahe, "sich einmal über diese Kernfrage auszutauschen". Sollte sich eine Mehrheit für ein hohes Tierwohl-Niveau entscheiden, müsste Deutschland zwei "Großbaustellen" eröffnen, um das gesellschaftliche Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Es müssten Haltungssysteme entwickelt werden, die den Ansprüchen genügten, und Konzepte für deren Umsetzung und Finanzierung gefunden werden.
Als "falschen Weg" bezeichnete derweil der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschat (ZDG), Friedrich-Otto Ripke, eine pauschale Fleischsteuer. Damit werde lediglich eine noch stärkere Wettbewerbsverzerrung zulasten der heimischen Erzeuger erreicht, da eine prozentuale Besteuerung den absoluten Preisunterschied zwischen "ausländischer Billigware und dem nach hohen deutschen Standards erzeugten Fleisch noch weiter ansteigen lässt". Laut Ripke kann der richtige Weg für mehr Tierwohl nur eine Tierwohlprämie sein, für die es einen sorgfältig ausgearbeiteten Gesellschaftsvertrag mit dem Konsens aller Beteiligten brauche.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hält eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch für unzureichend, wertete die Diskussion aber als positives Signal. "Es braucht mehr als eine Steuererhöhung", stellte der BDM-Vorsitzende Stefan Mann klar. Viele tierhaltende Betriebe arbeiteten mit einer "permanenten Kostenunterdeckung" und hätten angesichts wiederkehrender Krisen keine Reserven mehr, um Investitionen in die Modernisierung von Ställen vorzunehmen. Umgesteuert werden muss Mann zufolge bei der EU-Agrarpolitik, deren Ausrichtung auf "billige, international wettbewerbsfähige Lebensmittelpreise" die Ursache vieler Probleme sei. AgE
(09.08.2019)