Zur Überraschung von EU-Agrarkommissar Phil Hogan und zur Freude von Mitgliedstaaten wie Frankreich, Italien und Spanien hat sich die Bundesregierung gestern auf dem Agrarrat in Brüssel offenbar für neues EU-Geld zur Bekämpfung der Krise auf dem europäischen Milchmarkt eingesetzt. Dazu könnte oder müsste möglicherweise auch die EU‑Krisenreserve angetastet werden, berichteten EU-Diplomaten nach den eintägigen, bis in den Abend dauernden Beratungen der 28 für Agrarpolitik zuständigen Minister und Staatssekretäre.
EU-Diplomaten wollen eine Kehrtwendung in der Berliner Position erkannt haben. Bislang hielt Berlin das Antasten der aus Direktzahlungen gespeisten Krisenreserve für die europäische Landwirtschaft nicht für vertretbar. Im Haushaltsentwurf für 2017 ist dafür ein Betrag von 450,50 Mio Euro vorgesehen.
Hogan wies darauf hin, dass er die Wirkung des Bündels der eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der anhaltenden Krise auf den europäischen Agrarmärkten zunächst abwarten und über mögliche zusätzliche Hilfen erst auf dem nächsten Agrarrat beraten wolle, der am 27. und 28. Juni in Luxemburg stattfindet. In 13 Mitgliedstaaten sei das im vergangenen September beschlossene Hilfspaket noch gar nicht in der Praxis der Landwirtschaft angekommen, und auch Deutschland hätte die zur Verfügung stehenden Mittel noch nicht vollständig ausgeschöpft, sagte Hogan nach dem Rat gegenüber Journalisten.
Deutschland scheint jetzt offenbar interessiert, zügiger sowohl zeitlich als auch finanziell weiterreichende Maßnahmen zu erörtern - gemeinsam mit Ländern wie etwa Italien, Frankreich und Spanien, die dies bereits seit Wochen fordern. Eine Laufzeit von mindestens zwei bis drei Jahren sollten die eingeleiteten, bislang jedoch nur auf drei bis sechs Monate befristeten EU‑Maßnahmen zur Minderung der Milchproduktion haben, heißt es in einem AGRA-EUROPE vorliegenden Entwurf für ein Dokument des italienischen Landwirtschaftsministeriums zur Marktkrise. AgE
(19.05.2016)