Eine gemischte Bilanz der Entwicklungen im genossenschaftlichen Sektor während der vergangenen beiden Jahrzehnte zieht der scheidende Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred Nüssel. Im Interview mit AGRA-EUROPE bescheinigt Nüssel der Agrarwirtschaft, den Übergang von starren Marktordnungen in regulierte Märkte insgesamt gut hinbekommen zu haben. Während jedoch in der genossenschaftlichen Warenwirtschaft richtige Entscheidungen für notwendige Strukturanpassungen getroffen worden seien, seien in der Molkereiwirtschaft erforderliche Weichenstellungen nicht vorgenommen worden.
Wir haben eine Chance verpasst und ein Stück Zukunft für die genossenschaftlichen Milchwirtschaft vertan, so der Raiffeisenpräsident unter Anspielung auf die Strukturdiskussion Mitte des letzten Jahrzehnts. Zurückhaltend äußert er sich zur Zukunft der genossenschaftlichen Molkereiwirtschaft in Deutschland: Ich fürchte, dass der Genossenschaftssektor ohne mehr Bereitschaft des Ehrenamtes zu strukturellen Anpassungen weitere Anteil in der Milchverarbeitung verlieren wird. Ein Indiz dafür sei die Übernahme von Omira durch den französischen Privatkonzern Lactalis.
Von der Politik erwartet Nüssel mehr Ehrlichkeit in der milchpolitischen Diskussion. Er vermisse bei einigen die Einsicht, dass Krisen auf globalen Märkten wie dem Milchmarkt marktwirtschaftliche Antworten erfordern. Die Förderung des Agrarexports wäre dem Raiffeisenpräsidenten zufolge im Bundeswirtschaftsministerium besser aufgehoben als im Agrarressort. AgE
(16.06.2017)